Anderson .Paak hätte eigentlich bereits letztes Jahr eine Review verdient. Zuerst tauchte er im Song „Green Light“ von Jonwayne auf. Kurz darauf wird in einem Newsletter von Stones Throw Records ein Video angepriesen: In the Dungeon: NxWorries – Suede. Wieder ist es die Stimme von Anderson .Paak, der sich nun mit Beatmaker Knxwledge zusammengetan hat. Unnötige Interpunktion trifft auf Verachtung für den Vokal „o“. So wird aus Anderson ‚dot‘ Paak und Knxwledge „NxWorries“ – ein orthographischer Kompromiss. Im Vorratskeller spielen die beiden den Song, der in jeder Best Of 2015-Liste ganz weit oben stehen musste, und liefern eine Performance, der höchstens der Fila-Pullover des einzigen Zuschauers MNDSGN die Stirn bieten kann. Spätestens nach diesem Auftritt war die Neugierde an Anderson .Paak geweckt. Zum Glück für ihn nicht nur bei uns, sondern auch ganz weit oben. Denn als im Sommer 2015 nach sechzehn Jahren der Abwesenheit das Comeback-Album von Dr. Dre erscheint, steht bei sechs der sechzehn Tracks am Ende „featuring Anderson .Paak“. Anderson war letztes Jahr das Aromat des Hip Hop. Wenn irgendwo noch was fehlte, streute man ein wenig .Paak rein.
Aromat ist eine tolle Sache – aber wer schreibt schon eine Review darüber? Nun hat sich die Situation geändert. 2016 ist Brandon Anderson Paak nicht mehr bloss Nahrungsmittelzusatz. „It all led up to ‚Malibu’“, sagt er andächtig im Interview mit Gilles Peterson, kurz nachdem dieser auf BBC 6 eine von der Zensur zerstückelte Version von „Suede“ gespielt hatte – man hätte besser gleich das Instrumental aufgelegt. „Malibu“ ist zwar nicht .Paaks Debut, aber – bislang – sein Meisterstück. 2014 hatte er bereits „Venice“ veröffentlicht, das eher bescheidene Beachtung fand. Danach kam das Jahr als Soul-Aromat für Ostküsten-Rapper, durch das sein Bekanntheitsgrad soweit anstieg, dass es heute er selbst ist, der für sein Album Namen wie Schoolboy Q, The Game und Talib Kweli als Geschmacksverstärker auflisten kann. Vielleicht Glück, vielleicht perfekt geplant – man mag dem 29-jährigen Kalifornier, der auf Malibu auch viel Persönliches über schwierigere Zeiten Preis gibt, den Durchbruch jedenfalls gönnen. Vom Tellerwäscher zum Millionär, vom Aromat zum Hauptgang, von Venice nach Malibu.
Geographisch gesehen ist es kein sonderlich bewundernswerter Sprung. Musikalisch sieht das anders aus. „Venice“ war ein Rundumschlag. Man rutscht von borderline Auto-Tune-Dancehall unfreiwillig zur Ballade mit spanischem Gitarren-Intro. Man könnte es vielseitig nennen, unzusammenhängend trifft es eher. Auf „Malibu“ fokussiert .Paak nun auf die Elemente, die schon auf seinem Debut mit Tracks wie „Miss Right“ und „Might Be“ am besten funktionierten: Hip Hop, R&B und Soul, getragen von seiner Stimme. Eintönig droht das Album mit seinen sechzehn Titeln dennoch nie zu werden. Zu unterschiedlich sind die Beats, zu gekonnt die Wechsel zwischen Gesang und Flow. Das Sortiment reicht vom feelgood Sound auf „Celebrate“ zum everyday struggle in „The Season/Carry Me“; von der Kirche bis auf die Strasse. Und für die Parts, für die Anderson selbst zu Gospel und zu wenig Gangster ist, springen andere ein. Wer kritisch sein möchte, kann .Paak vorwerfen, dass das Album für seine Fähigkeiten eine Spur zu eingängig ist. So könnte „Am I Wrong“ problemlos auch in Will Smiths Miami statt .Paaks Malibu spielen. Aber jeder, der sowas kritisiert, hat selbst schon „Welcome to Miami“ durch den Club gebrüllt und dann weniger laut irgendein „aamiaamiaami“ hinterhergeschoben. Tiefpunkte sucht man auf „Malibu“ vergebens, vorspulen ist keine Option. Und wenn auf „Without You“ auch noch ein Hiatus Kaiyote-Sample auftaucht, sind alle Zweifel beseitigt: Sollte es diese Platte Ende Jahr nicht in die Bestenliste 2016 schaffen, dann kommt in den nächsten Monaten noch einiges auf uns zu. Dafür könnte .Paak auch gleich selbst sorgen. Ein Album zusammen mit Knxwledge ist bereits angekündigt, eine Kollaboration mit Flying Lotus angedeutet. Die Beats werden also sicher auch wieder weniger eingängig, und Anderson .Paak sammelt weiter Hip Hop-Grössen wie andere Fussball-Bildchen.
Gilt nur noch die Sache mit der unnötigen Interpunktion zu klären. Auf die Frage, ob man Paak mit a oder ä ausspricht, antwortet dieser: Egal, „as long as you don’t forget the dot!“ Ist also irgendwie wichtig. Und was soll das? „The dot stands for detail.“ Ach so. Naja, wenn man bedenkt, dass er sich früher „Breezy Lovejoy“ nannte, kann er meinetwegen auch noch ein paar Kommas reinschmeissen!
Anderson .Paak spielt am 23.02. im Exil!
STUDIO GDS - Die einzigartige Zürcher Radiosendungs- und Partyreihe geht in die zweite Runde. Jeden Donnerstag wird wieder zu fein selektierten Konzerten und DJ-Sets in den Freitag hineingetanzt und cocktailschlürfend Neues entdeckt. Auf der Tanzfläche im Kauz und on air auf GDS.FM.
By Kaiser Scheiss
