STUDIO GDS PRÄSENTIERT EARL SWEATSHIRT - I DON'T LIKE SHIT, I DON'T GO OUTSIDE

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Klar –  schon eine Weile draussen die Scheibe. Kommt jetzt ziemlich spät diese Kritik. Aber nur weil Pitchfork und Konsorten schon einen Tag später darüber schreiben, heisst das noch lange nicht, dass das richtig ist. „I don’t like shit, I don’t go outside“ – Wer sich dieses Album reinzieht und dann gleich eine Einordnung in die Musikgeschichte inklusive Psychoanalyse des Interpreten raushauen muss, wird bestimmt dazu gezwungen. Obwohl zum Beispiel „Earl Sweatshirt and Tyler, the Creator's Odd Future as Mature Adults“ ein wunderschöner Titel für einen solchen Beitrag ist, interessieren die dort gewonnenen Einsichten den Fan doch nur am Rande. Earl ist also in den zwei Jahren nach seinem letzten Album älter geworden – wahrscheinlich ungefähr zwei Jahre.

Nein – einen Tag später eine Abhandlung über die Leiden des jungen Sweatshirts mit ein paar Hinweisen auf Produktion und Tracks geschmückt zu publizieren ist falsch. Denn alle, die nicht mit der Heugabel zum täglichen Kritiken schreiben angetrieben werden, sind, sobald das Orgelintro von „Huey“ aus dem Kopfhörer rauscht, zuerst einmal ein paar Wochen damit beschäftigt, ohne Ticket im 31er zu sitzen und sich beim Kopfnicken zu überlegen, ob man auch so gangster aussieht wie man sich dabei fühlt. Wenn dann aber zwei Wochen später der Frühling ausbricht und man vom Bus aufs Fahrrad wechselt, wo sowohl Kopfnicken als auch Musikhören weder gangster noch gesund sind, kann man sich ja mal Gedanken über einen solchen Beitrag machen. Denn es gilt nun zu klären, wie dieser Albumtitel mit der aktuellen Hitzewelle kompatibel ist. Tomaten auf dem Balkon anpflanzen kannst du zu der Platte jedenfalls vergessen. Höchstens Odd Future  könnten urban gardening mit Swag betreiben (das Copyright für dieses Videoclip-Konzept habe ich mir übrigens gesichert). Was also tun? Nach Draussen gehen und den ganzen Frühlingsshit geniessen, und dabei trotzdem genau dieses Album hören?

Logisch – denn die Platte kann was und das mit dem Schwarzfahren war sowieso von Anfang an gelogen. An seinen Vorgänger „Doris“ kommt es, was die Hits angeht, zwar nicht heran. Dafür waren es 2013 einfach zu viele. Aber es ist gerade die Einfachheit des neuen Albums, die überzeugt. Nein, Halt, „überzeugt“ ist nicht ganz richtig – es ist die Einfachheit, die einen freut. Während sich Kendrick Lamar nach seinem endgültigen Durchbruch 2012 mit Jazzgrössen umgibt, um mit einem Epochenwerk seine Botschaft an den US-Bürger zu tragen und seine Vormachtstellung zu festigen, bleibt Earl auf dem Boden. Oder eher im Keller. Der Albumtitel ist Programm. Der Start mit „Huey“ erinnert mit den fast schon fröhlichen Orgelklängen noch am ehesten an „Doris“. Danach wird das Tempo noch ein wenig runtergefahren. Bei „Mantra“ hat man fast schon das Gefühl, Earl rappt über ein Instrumentaltrack von King Krule. Abgesehen vielleicht von „AM//Radio“ bleibt die Grundstimmung auf dem Album danach einheitlich klaustrophobisch. Man kann die zehn Tracks je nach Ansicht als puristisch oder minimalistisch bezeichnen. Es sind auf jeden Fall insgesamt stimmige wenn auch eher düstere 30 Minuten, die uns Earl Sweatshirt vorlegt. Schleppende Beats ohne unnötige Umwege und darüber Earl’s Flow. Genau das erhoffte man sich von ihm und genau das bekommt man. Darum braucht’s hier keine Textanalyse und kein Essay über das Verhalten adoleszenter L.A. Rapper im 21. Jahrhundert. „I don’t like shit, I don’t go outside“ ist unaufgeregt gut. Perfekter Stoff zum im Bus weiternicken – es regnet ja bestimmt wieder. 

GDS.FM präsentiert jeden Donnerstag ab 21.00 live im Kauz in Zürich, was die lokale Musik- und Kulturlandschaft bewegt und in Zukunft noch bewegen wird. Bei abwechslungsreichen Gästen, DJ-Sets und Konzerten, dreht sich bestimmt nicht nur des Kauzes Kopf um 270°.

Von Kaiser Scheiss.

 

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EARL SWEATSHIRT - I DON'T LIKE SHIT, I DON'T GO OUTSIDE
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