„I'll fake it through the day with some help from Johnny Walker Red. Send the poisoned rain down the drain, To put bad thoughts in my head.“ Ein Mann in einem weissen Anzug und einer Gitarre steht alleine auf einer viel zu grossen Bühne. Er wirkt verloren und starrt mit traurigen Augen auf sein Mikrofon. Im Off kommentiert Elliott Smith seinen Auftritt an den Academy Awards mit: „It was totally bizarre, that someone like me was on that show. […]“
Elliott Smith bedarf eigentlich keiner Vorstellung. Mit Heatmiser in den frühen Neunzigern ein Lokalheld in der Punk/Alternative Szene in Portland, war er spätestens seit seiner Oscar-Nominierung für Miss Misery auf dem Good Will Hunting Soundtrack bis zu seinem tragischen Suizid (?) auch einer breiteren Öffentlichkeit ein Begriff. Heaven Adores You, ein Kickstarter-finanzierter Dokumentarfilm über sein Leben feierte seine Premiere schon 2014 am Filmfestival San Francisco, jetzt endlich ist auch der Soundtrack dazu erschienen.
Mit weisser Schrift wird auf schwarzem Hintergrund der 21. Oktober 2003 angekündigt. Eine nüchterne Frauenstimme berichtet über den Tod von Smith. Darauf folgen Aufnahmen von brennenden Kerzen und Abschiedsbriefen, die vor dem Mural, das man vom Figure 8 Albumcover kennt, niedergelegt wurden. Freunde und Bekannte erzählen, wie sie von seinem Tod erfahren haben.
Gleich vorab: Wir sprechen hier nicht von einer Greatest Hits Sammlung. Vielmehr hören wir eine gelungene Mischung aus ein paar wenigen, bereits von seinen Alben bekannten Studioaufnahmen und einer Vielzahl Demos und Alternative Takes, die, entgegen der Norm bei Releases solcher Home Recordings, tatsächlich auch sehr schön anzuhören und nicht nur zum fetischisieren für die-hard Fans gedacht sind. Elliott Smith halt.
Was ihn nach Portland geführt hat, fragt der Radiomoderator. „I just moved there, when I was a kid… ahm… Let’s not get into that.“, hört man Elliott zögerlich antworten. Ein schwieriges Verhältnis zum Schwiegervater wird erwähnt, und dass er seine Vergangenheit in Dallas, Texas („No kidding“) hinter sich lassen musste. Ansonsten aber werden zu dem Thema nicht viele Worte verloren und während die grünen Wälder Oregons durchs Bild ziehen singt ein junger Elliott über den grossen Nordwesten.
Trotzdem: Solltest du dir gerade der Schande bewusst werden, dass du zu den Unglücklichen gehörst und grad gar nicht so recht weisst wer Elliott Smith überhaupt war dann empfehlen wir dir zum Einsteigen erst mal schleunigst Either/Or oder Roman Candle zu beschaffen, oder, für einen globalen Überblick, An Introduction to… zu besorgen. Für bereits Eingeweihte ist Heaven Adores You eine tolle Ergänzung zur bestehenden Smith-Sammlung.
Anhand von Interviewausschnitten und Aussagen von Freunden zeigt der Film Elliotts musikalische Entwicklung, die ihn von Portland zuerst nach New York und dann nach Los Angeles führte. Dabei wird mit Liebe zum Detail und viel unveröffentlichtem Material die künstlerische Entwicklung vom punkigen Alternativrocker zum sensiblen Singer-Songwriter beleuchtet – von den frühen Heatmisertapes bis zu seinem post-mortem erschienenen Album From A Basement On Hill.
Highlights sind sicher Christian Brothers, das der geneigte Hörer bereits als Akustik-Version von Smith's Self-Titled Album kennt, hier aber dargeboten von Heatmiser als raue, Neunzigerjahre Alternative Rock Nummer, und True Love, unüberhörbar ein Relikt aus den From a Basement on a Hill Sessions, ein wunderschönes Stück mit starkem Beatles ca. 1969 Einschlag. Unknown Song (Instrumental) offenbart eine bis anhin unbekannte Seite des Künstlers, eine die auch einem leichten Western-Touch nicht abgeneigt ist und I Love My Room tönt, naja, durchaus ein bisschen wie ein früher Bright Eyes Track (Ja, ich habe gerade Elliott Smith mit Bright Eyes verglichen, nicht umgekehrt).
Heaven Adores You zeichnet ein sehr intimes Portrait von Elliott Smith, ohne jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt voyeuristisch zu wirken. Die Dokumentation konzentriert sich auf die Freundschaften und positiven Seiten seines Lebens und deutet die Schattenseiten, wie Alkoholabhängigkeit, Depression und Drogensucht, lediglich an. Genau aus diesem Grund ist Heaven Adores You kein zweites Montage Of Heck, sondern schafft ein respektvolles und sympathisches Denkmal für einen aussergewöhnlichen Künstler.
STUDIO GDS - Die einzigartige Zürcher Radiosendungs- und Partyreihe geht in die zweite Runde. Jeden Donnerstag wird wieder zu fein selektierten Konzerten und DJ-Sets in den Freitag hineingetanzt und cocktailschlürfend Neues entdeckt. Auf der Tanzfläche im Kauz und on air auf GDS.FM
Von Lukas Marty und MJ, Zürich.
