Schon mal vorweg, ich wäre eigentlich gar nicht befugt, diese Review hier zu schreiben. Ein Stephen Frick, zum Beispiel, als langjähriger Beobachter Evelinn Troubles Karriere, könnte viel fundierter urteilen und rezensieren. Ich versuchs trotzdem mal, obwohl ich erst seit dem letzten Album “The Great Big Heavy“ (2013) auf die mittlerweile doch schon schweizweit und darüber hinaus bekannte Musikerin aufmerksam geworden bin. Dann hab ich sie in diesem Frühsommer bei dem legendären Balcony Gig am Röschibachplatz das erste Mal live gesehen und all meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Da sass eine Künstlerin auf einem kleinen Altbaubalkon mit ihrer Gitarre, einem kleinen Verstärker und vor allem ihrer Stimme und beschallte den Platz voller Freaks, spielenden Kindern, streunenden Hunden, Kioskalkis und Passanten. Es war eine Offenbarung. Seither bin ich, wohl wie unser Frick, angefressen. Seither habe ich die seit mehr als einem Jahr in London lebende Exil-Zücherin auch näher kennen gelernt. In erster Linie mit dem hier vorliegenden Album, ihrem offiziell vierten Werk „Arrowhead“.
Gemäss Pressetext erzählt dieser Longplayer aufgenommen im Studio von Geoff Barrow in Bristol und ganz in der Tradition der 70er-Rockkonzeptalben, eine Geschichte. Und zwar die einer Reise eines urbanen Menschen, der von einem Pfeil in den Kopf geschossen wurde und nun durchs Leben stolpert (sic). Das ist wohl Evelinn Troubles ganz eigene Kurzversion ihrer eigenen Biographie. Wenn sie, wie auf einem meiner Favoriten der Platte, „Reminder“, singt: „remind me what it's like to care for no one, remind me what it's like to catch on fire and crash and burn“, sind das autobiographische Auszüge aus einer Vita, die ihren Ausdruck am besten in der universellen Kraft der Musik findet.
Die Sechsundzwanzigjährige hat eine klar und unmissverständliche Stimme, ein Gespür für die ganz grossen Gefühle, eine allgegenwärtige Lebendigkeit, die in dieser Kombination brutal ansteckend ist. Wer ihre Musik als Rockmusik bezeichnet, verfehlt das Ziel weiter als der besagte Pfeil den Kopf des Protagonisten dieses 9-stückigen Meisterwerks der Schweizer Popgeschichte, welches jegliches Genredenken sprengt. Oder hat schon mal jemand zuvor so eine affirmative Wucht wie das Finale von „Wrong Sea“ („some day I will be well on my way!“) eines Schweizer Künstlers erlebt? Ms. Trouble sagt ja selbst, ihre Songs wollen jegliche Konventionen brechen, eine Sprache sprechen, die nur Eingeweihte verstehen. Das hat aber nichts elitäres oder abgehobenes, sondern schlicht und einfach den Anspruch, sich direkt an den Hörer zu richten, ihn am Schopf zu packen und durchzurütteln, um ihn so in seiner Menschlichkeit und Seele anzusprechen. Wie es beispielsweise eine Patti Smith zu ihren besten Zeiten tat. Andererseits enden die zwei letzten Drittel von „Just A Fever“ in einer sphärischen Transzendenz, die an die allerbesten Zeiten von Black Sabbath erinnert, einer der absoluten Lieblingsbands von Trouble, spielt sie doch des Öfteren Black Sabbath-Tribute-Konzerte zur Abwechslung zu ihrem eigenen Material. Aber wenn dieses so packend ist wie „Gone Strange“, dann hör ich lieber zu, wie mich diese seltsam Gestalt angenommene Intimität geradezu hypnotisiert und schon bald im Herzen trifft. Wie dieser immer wiederkehrende Pfeil. Vielleicht ist ja auch die wahre Geschichte hinter diesem Album-Titel, dass der Arrowhead eigentlich derjenige ist, den die echt aufmerksame Zuhörerschaft abkriegt. Als Streifschuss oder nach x-tem Replay als Volltreffer. Für mich trifft auf alle Fälle zu: Bestes Album 2015 aus der Schweiz. Für die Welt da draussen. Amen. Ähm, fast vergessen: laut, sehr laut hören!
STUDIO GDS - Die einzigartige Zürcher Radiosendungs- und Partyreihe geht in die zweite Runde. Jeden Donnerstag wird wieder zu fein selektierten Konzerten und DJ-Sets in den Freitag hineingetanzt und cocktailschlürfend Neues entdeckt. Auf der Tanzfläche im Kauz und on air auf GDS.FM.
Von Honey-K.
