STUDIO GDS PRÄSENTIERT LOS PORCOS - PORCO MIO

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Lead

Wir erinnern uns: Es war 2011, in Südossetien wird ein neuer Präsident gewählt, in Estland der Euro eingeführt und Thomas Gottschalk moderiert sein letztes Wetten Dass…?. ...und aus einem Keller in Manchester steigen ein paar Jungs, die sich mit Tonnen von Hall und kryptischen Internet-Botschaften aufmachen, die träge gewordene britische Musikszene mit ihrem Heavy Pop aufzumischen. WU LYF waren das, klingelts? Blogs waren der neue, heisse Scheiss, die dann auch bestens als Katalysatoren fungierten um das Quartett in den ultimativen Hype-Olymp zu katapultieren, wo es dann von Prestige-Medien mit Best New Music und Fucking Amazing Tags weiter gebauchpinselt wurde. Und plötzlich war Schluss. Sänger Ellery James Roberts verkündet seinen Bandkollegen per Facebook-Post dass er übrigens aussteigt um eine Solo-Karriere in Angriff zu nehmen. Was nun? Wer WU LYF kennt, der weiss schliesslich, dass Roberts zu ersetzen schlicht keine Option war, war doch sein heiserer Keuch-Gesang sicher eines der definierenden Stilmittel der Gruppe. Also?

Angriff nach vorne selbstverständlich und zwar mit gänzlich neuem Ansatz. Geheimniskrämerei und zelebrierter Nihilismus mussten zur Schau gestellter Leichtigkeit und praktiziertem Junghedonismus weichen. Die Fender Stratocaster kommt jetzt im Surf Green daher. WU LYF are dead, long live Los Porcos! Dass verbleibende Mitglieder einer Band ihren Stil justieren ist nichts Neues, in diesem Fall und in diesem Ausmass aber doch ziemlich frappierend. Was vorher düster im Klangnebel lauerte, strahlt einem nun hell ins Gesicht. Wo früher dicke Kissen von Reverb die schaurigen Vocals betteten, tanzen heute mehrstimmige Falsetto-Harmonien in bester Bee Gees Manier über legeren Gitarren-Licks. Yacht Rock! Los Porcos nehmen den Hörer auf eine Kreuzfahrt, wo der Liegestuhl gefedert ist, die Schirmchendrinks süss schmecken und die Discokugel funkelt. Mal gänzlich instrumental, mal relaxed nach hinten gelehnt, dann wieder vorwärts Boogie Woogie. Die fünf Songs starke EP ist ein glitzerndes Stück Musik, nicht nur für entspannte Tage auf dem Sonnendeck. Wem das noch nicht genug ist, dem sei auch die schon etwas ältere, ausgezeichnete Single Sunshine ans Herz gelegt, die es, aus mir schleierhaften Motiven, leider nicht auf die Platte geschafft hat.

Wir merken: Dass sich eine geliebte Band auflöst, muss noch lange kein Grund sein um Trübsal zu blasen. Aus der Asche von Joy Division stiegen New Order und die Auflösung von Minor Threat schenkte uns Fugazi. Mit dem Ende von Heatmiser wurde Elliott Smith aus seinem Korsett befreit und da ist natürlich Ringo, der nach den Beatles endlich... Erm, ja gut, vielleicht klappts nicht ganz immer.

Und weil es schon Dezember ist, im Folgenden ein paar Platten, die mir, total subjektiv, dieses Jahr besonders viel Freude bereitet haben (ohne bestimmte Reihenfolge). Der offizielle GDS.FM Jahresrückblick folgt aber selbstverständlich zu einem späteren Zeitpunkt.

 

of Montreal - Aureate Gloom (Polyvinyl)

Mastermind Kevin Barnes persönlich im Elend aber künstlerisch in Höchstform. of Montreal’scher Psych-Funk, gepaart mit rotzigem CBGB-Sound, stetig nickend in Richtung Television, Talking Heads und King Crimson.

 

Ezra Furman - Perpetual Motion People (Bella Union)

(Vermeintlich) bunt-fröhlicher Indie-Pop mit tief melancholischem Kern.

 

Doe Paoro - After (ANTI-)

“Auf fragile low-key Momente seelischer Nacktheit folgen Bombast und Selbstbejahung, auf flotte four-to-the-floor Nummern intime, Grouper-eske Piano-Balladen geladen mit psychischer Entblössung und zerknirschter Selbstreflexion”, schreibe ich in meiner Review.

 

Total Abuse - Excluded (Deranged Records)

Schwärzer als die Seele eines Tabakindustrie-Lobbyisten. Du sagst Krach, ich sage grandioser Hardcore mit extra Noise-Komponente.

 

Gucci Mane - Breakfast (1017 Records)

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Desaparecidos - Payola (Epitaph)

Mit 35 schon Altmeister: Conor Oberst (Bright Eyes) kämmt allen Emo-Revivalists den Seitenscheitel und zeigt wer noch immer die grösste Bürste hat.

 

Yumi Zouma - II (Cascine)

Diese Kiwi-Popper sind so Zucker, dass sie im Sommer wohl zu Caramel werden.

 

Clarence Clarity - No Now (Bella Union)

Aus der Schublade nicht-schubladisierbar. Der Guardian meint “He’s a kind of a funk version of Ariel Pink”. Finde ich gut.

 

Sufjan Stevens - Carroll & Lowell (Asthmatic Kitty Records)

Inspiriert vom vom Tod seiner Mutter schreibt Stevens ein Album, das bis zu den Knochen berührt. Leise und intim, so persönlich, dass es sich für den Hörer fast voyeuristisch anfühlt zuzuhören. Ohne Zweifel sein bestes Album und guter Mann, das will wirklich etwas heissen.

 

The Districts - A Flourish and A Spoil (Fat Possum)

Zeitloser Kneipenrock exzellent aufgeführt.

 

Protomartyr - The Agent Intellect (Hardly Art)

Heavy wie die Stahlindustrie ihrer Heimatstadt Detroit. Kompromissloser Post-Punk mit Intelligenten Texten und Melodien die kleben.

 

Taylor Swift - 1989 (Big Machine)

“Das ist aber gar nicht aus diesem Jahr!” “Ach, ja?”

 

STUDIO GDS - Die einzigartige Zürcher Radiosendungs- und Partyreihe geht in die zweite Runde. Jeden Donnerstag wird wieder zu fein selektierten Konzerten und DJ-Sets in den Freitag hineingetanzt und cocktailschlürfend Neues entdeckt. Auf der Tanzfläche im Kauz und on air auf GDS.FM.

Von MJ, Paris. 

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