Kürzlich hat Pitchfork unter strengster Einhaltung verschiedenster, eng gesteckter Kriterien die besten 50 Ambient-Alben aller Zeiten gekürt. Wenig verwunderlich schaffte es Brian Enos Initialwerk „Ambient 1: Music For Airports“ auf den ersten Platz dieser durchwegs interessanten Rangliste. Etwas wenig Beachtung fand meiner Meinung nach der Ambient an der Schnittstelle zwischen Club und Ruhezone; solchen wie er immer öfters auch von elektronischen Musikern, die vornehmlich für den Dancefloor produzieren, gemacht wird. Suzanne Kraft, Tempelhof, Gaussian Curve, Vakula und CFCF , aber auch hiesige Künstler wie HOVE sind nur einige Namen von Acts, die in den letzten Jahren diese neue Art des Ambients mitdefinieren. Und zu diesem illustren Kreis gehört natürlich eben auch Vermont. Dieses Sideprocekt von Motor City Drum Ensembles Danilo Plessow und Innervisions Marcus Worgull übernimmt wie bei den oben genannten Unternehmen die Funktion des harmonischen Ausgleichs zum hektischen Leben als international gebuchter DJ. Statt sich wie Sven Väth ab Oktober in die alljährliche Ayurveda-Kur zurückzuziehen, treffen sich die beiden House-Produzenten regelmässig in Plessows Kölner Studio, um sich gegenseitig die Seele mit sanften Klängen und wohlklingenden Harmonien zu massieren.
Vermonts Zweitling „II“ gehört für mich jetzt schon bereits zu den besten Werken für ruhigere Töne 2017. Plessow und Worgull selbst verstehen ihre Musik ganz im Sinne Enos ursprünglicher Auslegung des Genres; also als Hintergrundteppich für allerlei Tätigkeiten oder als Multitasking-kompatible Kompositionen quasi. Das klingt für mich dann aber doch etwas gar bescheiden. Denn auch beim konzentrierten Zuhören entdecke ich Nuancen, Launen und melodiöse Highlights auf diesem Album, die für diese zwei Musiker doch sehr überraschend ausfallen. Was auf dem Erstling noch etwas schüchtern und zaghaft ausprobiert wurde, nimmt nun endlich, frei gemacht von allen Zwängen und Hemmungen, seinen bestimmten Lauf. Rausgekommen ist dabei ein Werk so strahlend erhaben wie ein neuer Fixstern am Firmament des Ambients.
Der Opener „Nordeney“ setzt mit seiner durchgehend monotonen Bassline und dem Manuel Goettsching huldigenden Gitarrengezupfe von Robbert Van Der Bildt irgendwie die Benchmark für „II“. Die jahrelang in der internationalen Clubszene gesammelte Erfahrung und dem Wissen darüber, wie man in diesem Kontext Spannung aufbaut, hört man in jeder Rille dieser Platte. Aber auch „Ufer“ oder „Unruh“ sind Tracks, die die Energie eines DJ-Sets abseits des Dancefloors im gemütlicheren Setting des für sich alleine Dahindriftens einfliessen lassen. „Ki-Bou“ ist wahrscheinlich die Standout-Nummer eines Albums, welches man in seiner gesamten Länge, nonstop anhören muss, um es wirken lassen und um seiner Grazie verfallen zu können. Vermont ist es gelungen Musik zu erschaffen, die alles zum Schweigen bringt. Eine fantastische Balance zwischen Aufgeregtheit und einer inneren Ruhe und Ausgeglichenheit. Man kann kaum glauben, dass dies nicht alles so geplant gewesen wäre von den beiden Freunden Plessow und Worgull. Dass es also nicht ihre Absicht gewesen wäre, Ambient zu erschaffen, der aus dem Hinter- plötzlich auch in den Vordergrund rücken kann. Wie auch immer, in meinem Herzen gehört diese Platte schon heute zu den wichtigsten seiner Gattung und sollte vornehmlich spätnachts abgespielt werden.
by Honey-K
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