Vielleicht hat es wirklich so lange gebraucht. Aber erst jetzt, mit seinem dritten Album, ist Ernest Greene, dem Künstler namens Washed Out, endlich sein persönliches Meisterwerk gelungen. Und somit hat das irgendwie gar nicht so richtig existierende Genre Chillwave nun also doch noch sein Opus Magnus. Seit seinem Debut „High Times“ gehört Washed Out zur Speerspitze ebendieses Sounds, der weder ein Zuhause noch eine definierende Szene hat. Chillwave als Genre hat niemand wirklich jemals beabsichtigt bedienen oder füttern, geschweige denn vorantreiben wollen. Es passierte halt einfach so und nach dem „Summer of Chillwave“ im Jahre 2009 kam auch schon kurz darauf der Backlash. Wie wenig das den Amerikaner Greene interessiert, hört man auf „Mister Mellow“. Die Hälfte der Dutzend Songs des Longplayers sind Instrumental Hiphop-Miniaturen oder fragmentarische Interludes, die rein gar nichts Chillwaviges an sich haben. Erst Tracks wie „Floating By“ oder „I've Been Daydreaming My Entire Life“ knüpfen halbwegs dort an, wo Washed Out mit seinem letzten Album „Paracosm“ 2013 aufgehört hat. Der Produzent besinnt sich vermehrt auf seine Wurzeln im bedingungslosen Sampling ohne dabei aber das Songwriting ausser Acht zu lassen. Im Gegenteil, mit „Hard To Say Goodbye“ schmettert Washed Out auch gleich sowas wie eine nonchalante Disconummer auf den Dancefloor, die derart abgehangen vor sich hin groovt, dass man dabei ganz vergisst, an den richtigen Stellen die Hände in die Luft zu reissen. Allgemein überzeugt „Mister Mellow“ durch diesen unaufdringlichen Touch, diese Losgelöstheit von Effekthascherei, diese Antihaltung zum Straight-in-your-face. Das Genre Chillwave, schon längst für tot erklärt, wird mit diesem Album nun doch noch erwachsen. Oder besser gesagt: Es entwickelt sich weiter, in alle möglichen Richtungen, wird plötzlich richtig housey, schwelgt in Neo-Disco, gibt sich funky. Es handelt sich wohl schlicht und einfach um das beste Album, welches dieser Sommer verdient hat. Nicht Washed Out, sondern mit allen Wasser gewaschen.
„Mister Mellows“ einziger Makel: Zu oft drängt sich der Verdacht auf, als ob für Greene die Lyrics gar keine Rolle spielen würden. Angst vor dem vollendeten Songwriting oder der eigenen Stimme? „Million Miles Away“ könnte etwas runtergestrippt eine Killerballade sein – oder eben auch nicht. Das würde eben ganz von Lyrics abhängen, die dazu etwas mehr in den Vordergrund gerückt sein müssten. Dieser Schwachpunkt hat aber eben auch das gesamte Genre. Man will sich nie richtig festlegen, stets im Vagen bleiben, sich nicht gänzlich dem Pop hingeben und seinen komplizierten Gesetzen ausliefern. Highlights wie „Get Lost“ oder eben „Hard To Say Goodbye“ überwiegen jedoch auf „Mister Mellow“ und geben den Groove an für eine bessere Zukunft, zumindest musikalisch. Und Washed Out legt die Messlatte damit wieder ein Stück höher für all diejenigen, die ihm so oder so nacheifern werden.
by Honey-K
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